Vougar Aslanov
CHOSROU UND SCHIRIN
Nach den Motiven des gleichnamigen Poems von Nizami1
Personen:
Chosrou – Prinz, später auch Schah – Kaiser Irans der Sassaniden – Dynastie
Mariam – die erste Frau von Chosrou
Schiruja – sein Sohn von Mariam
Schapur – Hofmaler und Hofdichter Chosrous
Dscham – Hauptpriester der Zarathustra-Lehre
Mahin Banu – Königin von Kaukasus Albania2
Schirin – ihre Nichte, Prinzessin, später auch Königin von Kaukasus Albania
Nakisa – die Fürstentochter und Freundin von Schirin
Waras – Hauptpriester von Kaukasus Albania
Maurikios – früherer Kaiser von Byzanz
Pfackos – späterer Kaiser von Byzanz
Grigorios – Hauptpriester von Byzanz
Far-Hat Sin – freier Maler und Architekt aus China
Sirwan – Anführer der Masdakiden
Barbäd – Hofmusiker Chosrous
Basirgümid – ein Weiser, der später als Hofminister bei Chosrou dient.
Die Alte
Hofleute, Henker, Bewaffnete, Menschenmasse, Diener und Dienerinnen.
Vorspiel
Goethe und Schiller in Weimar.
GOETHE3: Friedrich, mein Freund, ich habe wieder einen großen Dichter entdeckt: Nisami! Er lebte im 12. Jahrhundert und kam aus der Stadt Gendsche4. Ein zarter, hochbegabter Geist, der… nunmehr die lieblichsten Wechselwirkungen innigster Liebe zum Stoff seiner Gedichte wählt. Medschnun und Leila, Chosrou und Schirin, Liebespaare, führt er vor; durch Ahnung, Geschick, Natur, Gewohnheit, Neigung, Leidenschaft füreinander bestimmt, sich entschieden gewogen; dann aber durch Grille, Eigensinn, Zufall, Nötigung und Zwang getrennt, ebenso wunderlich wieder zusammengeführt und am Ende doch wieder auf eine oder die andere Weise weggerissen und geschieden. Aus diesen Stoffen und ihrer Behandlung erwächst die Erregung einer ideellen Sehnsucht. Befriedigung finden wir nirgends. Die Anmut ist groß, die Mannigfaltigkeit unendlich. Auch in seinen andern, unmittelbar moralischem Zweck gewidmeten Gedichten atmet gleiche liebenswürdige Klarheit. Was auch dem Menschen Zweideutiges begegnen mag, führt er jederzeit wieder ans Praktische heran und findet in einem sittlichen Tun allen Rätseln die beste Auflösung. Übrigens führt er, seinem ruhigen Geschäft gemäß, ein ruhiges Leben unter den Seldschugiden und wurde in seiner Vaterstadt Gendsche begraben. Daher heißt er Nisami Gendschewi.
GOETHE
Gottes ist der Orient!5
Gottes ist der Occident!
Nord- und südliches Gelände
Ruht im Frieden seiner Hände!
Sage mir,
Was mein Herz begehrt?
»Mein Herz ist bei dir,
Halt es wert!«
Hör und bewahre
Sechs Liebespaare!
Liebe schürt zu:
Rustan und Rodawu.
Unbekannte sind sich nah:
Jussuph und Suleika.
Liebe, nicht Liebesgewinn:
Ferhad und Schirin.
Nur für einander da:
Medschnun und Leila.
Liebend im Alter sah
Dschemil auf Boteinah.
Süße Liebeslaune:
Salomo und die Braune!
Hast du sie wohl vermerkt?
Wunderlichstes Buch der Bücher
Ist das Buch der Liebe. Bist im Lieben gestärkt.
Aufmerksam hab ich’s gelesen:
Wenig Blätter Freuden,
Ganze Hefte Leiden;
Einen Abschnitt macht die Trennung.
Wiedersehn! ein klein Kapitel,
Fragmentarisch. Bände Kummers,
Mit Erklärungen verlängert,
Endlos, ohne Maß.
O Nisami! – doch am Ende
Hast den rechten Weg gefunden:
Unauflösliches, wer löst es?
Liebende, sich wiederfindend.
SCHILLER
Freude, Freude, neues Leben6
Mögst du jedem Wandrer geben;
Denn die Freude pflanzte dich.
Mögen deine Nektargaben
Noch den spätsten Enkel laben,
Und erquicket segn‘ er dich!
ALLE:
Freude, Freude, neues Leben
Mögst du jedem Wandrer geben;
Denn die Freude pflanzte dich.
SCHILLER
Wir kommen von fernher,
Wir wandern und schreiten
Von Völkern zu Völkern,
Von Zeiten zu Zeiten;
Wir suchen auf Erden ein bleibendes Haus.
Um ewig zu wohnen
Auf ruhigen Thronen,
In schaffender Stille,
In wirkender Fülle.
ALLE
Wir kommen von fernher,
Wir wandern und schreiten
Von Völkern zu Völkern,
Von Zeiten zu Zeiten;
Wir suchen auf Erden ein bleibendes Haus.
GOETHE: Und dieses bleibende Haus ist die Kunst, mein lieber Freund! Und ich will noch etwas sagen:
Gesteht es! Die Dichter Orient sind größer!
Erster Akt
1. Szene
Ende des 6. Jahrhunderts. Palast der Sassaniden in Medain. Chosrou amüsiert sich bei Wein und mit zwei Frauen. Alle lachen laut. Barbäd spielt Oud und Schapur erzählt Gedichte.
SCHAPUR:
Die Brise der Freundin berührt mir den Geist,7
Die Lampe den Schimmer des Schatzes mir weist!
Welch köstliches Wasser führt dieser Fluss?
Der Wind, was bringt er für duftigen Gruß?
Hat etwa der schindenden Sonne Pfau
Und Federn herabgestreut auf die Au?
Hat eine Zypresse die Haut gereckt
Und uns durch Hochsinn zu Boden gestreckt?
Fiel Mondlicht durch die Luke herein
Und gab der Nacht einen helleren Schein?
Schapur steht auf und geht zu Chosrou. Barbäd spielt weiter.
SCHAPUR: Ich habe dir, o Prinz, von meiner Reise nach Barda wenig erzählt. Banu, die Königin von Kaukasus Albania, ist, wie ich dir schon gesagt hatte, eine sehr schöne und kluge Frau. Sie achtet dich und auch deinen Vater, den großen Schah Hörmüs.
CHOSROU: (wird ernst) Banu?! Sie ist aber, wie ich weiß, die Verbündete der Byzantiner. Mein Vater, der große Hörmüs, kämpfte immer darum, Albania wieder unter das Sassaniden – Reich zu bringen, hat aber das nicht geschafft.
SCHAPUR: Banu ist keine Feindin der Sassaniden, glaub mir, o Chosrou.
CHOSROU: Der Freund meines Feindes ist für mich auch Feind, der Feind meines Feindes ist hingegen mein Freund: Das sagt mir mein Vater immer, großer Hörmüs. Vergiss das nicht, Schapur.
SCHAPUR: Aber, mein Prinz, Vieles hängt von dir selbst ab: Du kannst den Freund deines Feindes zu deinem eigenen Freund machen, glaub mir.
CHOSROU: Wie schaffen wir das, Schapur, wie? Ich habe gehört, dass der Einfluss von Byzanz auf Albania sehr stark ist.
SCHAPUR: Schirin, mein Prinz, dieses schönste Wesen auf der ganzen Welt…
CHOSROU. Schirin? Wer ist Schirin?
SCHAPUR: Die Nichte von Banu, die Prinzessin von Albania, mein Prinz.
CHOSROU: Ist sie wirklich so schön?
SCHAPUR: Ja, Chosrou, Sohn des großen Hörmüs: Sie ist wirklich unbeschreibbar schön.
CHOSROU: Dann erzähl mir von ihr: Wie sieht sie aus?
SCHAPUR: Sie ist wie Mond, der neu geboren ist, wie die Sonne, die ihre Morgenstrahlen zur Erde schickt. Ah, sogar meine dichterische Begabung vermag nicht die Schönheit Schirins zu beschreiben.
CHOSROU: Ist sie jung?
SCHAPUR: Ja, nur sechzehn Jahre alt.
Schapur erzählt Gedichte in Begleitung der Musik von Barbäd.
Ihr Wangenmond viel feinstes Tuch zerschleißt,
der selber doch so ohne Makel gleißt.
Zwei Brüste gleich Granatäpfeln aus Silber,
auf die des Gartens Blüten-Münzen rieseln.
Rose Ihr Antlitz, Rose auch ihr Hauch,
süß ihre Lippen, „süß“ ihr Name auch.
Die ihre Lippen süß wie Honig nennen,
als Mahin Banus Thronerbin sie kennen.
Und schöne Fürsten in dem Lande dort
sind ihr zu Diensten, hörig ihrem Wort.
Und von den Fürstentöchtern mondenfein,
sind ihr zu Diensten siebzig Mägdelein.
CHOSROU (trinkt vom Wein, sehr begeistert) Ich weiß nicht warum, aber möchte ich sie jetzt unbedingt sehen, so eine Schönheit wollte ich genießen, Schapur!
SCHAPUR: Ja, mein Prinz, heirate Schirin! Dann wird Albania wieder unter der Macht der Sassaniden sein!
CHOSROU: Heirate, heirate… So eilig habe ich es doch nicht. Ich will noch das Leben, meine Jugend und die Liebe genießen. Zum Heiraten bleibt mir noch genügend Zeit. Und wen ich dann heiraten werde, weiß ich noch nicht. Deine Politik lass erstmal: Der große Hörmüs macht Politik, nicht ich mit dir. Aber ich will Schirin unbedingt sehen. Ihre Liebe, ihre Schönheit genießen… Sag Bescheid, dass wir Morgen nach Barda fahren: Die Pferde vorbereiten und was wir unterwegs brauchen, mitnehmen. Jetzt sollten wir einen Boten zu Banu schicken, dass wir in den nächsten Tagen schon in Barda sein werden. Schauen wir mal, wie sie uns annimmt. Ja, sag auch dem großen Hörmüs Bescheid, dass der Kronprinz zur Jagd in die Berge geht. Der Schah wird das verhindern, wenn ihm das zu Ohren kommt, dass ich wegen Schirin nach Barda fahre (nach kurzer Pause)… Ach, du hast, Schapur, mich verrückt nach Schirin gemacht!.. Ich bin in sie schon verliebt, ohne sie gesehen zu haben.
SCHAPUR: Das ist nicht weiter so schlimm, mein Prinz. Du wirst sie ein Mal sehen und du wirst es verstehen, dass Schapur Recht hatte. Und man kann alle Leiden um sie ertragen, glaub mir. Also nach Barda (ab)!..
CHOSROU: Schirin, Barda!.. Ob das alles nur zum Guten sein sollte! (wirft den Weinbecher weg).
Alle ab.
2. Szene
Palast Banus in Barda. Banu, ihre Hofleute, Schirin und Priester Waras. Banu hält in ihrer Hand die Botschaft von Chosrou und sieht sehr nachdenklich aus.
BANU (aufgeregt): Ich hatte mir schon gedacht, dass dieser Maler aus dem Iran nicht viel Gutes uns bringt. Es scheint so, dass Chosrou erst seinen Maler zu uns schickt, um die Lage in unserem Land auszukundschaften und nun will er selbst kommen.
SCHIRIN: Tante, wie kommst du zu solchen Ergebnissen? Schapur ist wirklich ein guter Maler: Er wollte nur die Berge des Kaukasus und die Schönheit Kuras8 malen. Ich unterhielt mich auch mit ihm: Das ist ein guter, hoch gebildeter und sehr begabter Mensch und er wollte nichts Böses gegen uns tun.
BANU (leicht ironisch): Du kennst, meine Liebste, diese Hofkünstler nicht: Für Gold würden sie alles verkaufen.
SCHIRIN: Nein, Tante! Schapur ist nicht so jemand, für den Gold am wichtigsten wäre. Er spricht mit der Welt und den Menschen mit der Sprache seiner Künste. Außerdem sollten wir ein gutes Verhältnis zu unseren Nachbarn pflegen.
WARAS: Du, bist noch jung, meine Prinzessin, und verstehst mancherlei deswegen nicht. Die Königin hat Recht: Schapur, der Hofmaler unseres Feindes könnte ungute Ziele verfolgen, wenn er hier bei uns war. Ich habe damals schon öfter gewarnt: Was sucht hier dieser Maler aus dem Iran?
BANU: Es ist genug, Waras. Wir müssen uns trotzdem zum Besuch des Kronprinzen Chosrou vorbereiten. Viel Zeit haben wir aber dafür nicht. Und Schirin hat auch teilweise recht: Wir müssen zu unseren Nachbarn ein gutes Verhältnis haben.
WARAS: Meine Königin, wir sind Verbündete von Byzanz. Das dürfen wir nicht vergessen. Iran ist ein Feind von Byzanz, und ein Feind von Byzanz ist genauso ein Feind von Albania. Welch gutes Verhältnis sollten wir dann zu einem feindlichen Land wie dem Iran haben?
BANU: Priester, vergiss du auch nicht, dass Albania ein kleines Königreich ist. Wir müssen uns zunächst darum kümmern, unsere Unabhängigkeit zu schützen. Ob das Byzanz ist oder Iran, sie wollen beide uns abhängig von sich machen. Jeder von ihnen hat nur sein eigenes Interesse im Sinn: Das Schicksal Albanias interessiert niemanden außer uns.
WARAS: Wir sind aber Verbündete von Byzanz, meine Königin. Außerdem sind wir ein christliches Königreich, im Iran herrscht aber die Lehre Zarathustras…
BANU: Wir haben nicht viel Zeit für solche Gespräche. Bald kommt der Sohn des Kaisers. Wir müssen ihm einen würdigen Empfang bereiten. Priester, wenn Chosrou kommt, muss du höflich zu ihm sein. Du darfst nicht vergessen, dass er ein Kronprinz und der Sohn eines großen Kaisers ist: Für mich ist die Sicherheit meines Landes wichtiger als alles andere.
WARAS: (unzufrieden) Ja gut, Königin, wenn du das sagst, werde ich schweigen. Schauen wir mal, was der Kaisersohn uns zu sagen hat.
Der Diener kommt herein.
DER DIENER: Der Kronprinz Chosrou ist da (ab).
Chosrou kommt in Begleitung von Schapur und seiner Gefolge herein.
CHOSROU: Guten Tag, ich grüße dich, o herrliche Königin des Kaukasus – dieser schönen Berge.
BANU: (steht auf und geht zu Chosrou) O guter Prinz, ich grüße dich von ganzem Herzen! Du bist. noch jung, ich habe von dir aber schon viel gehört. Deinen Vater, den großen Hörmüs, der vor allem für seine Vernunft und Gerechtigkeit berühmt ist, kannte ich schon immer gut. Wir waren immer gute Nachbarn und hatten volle Hochachtung voreinander. Ich freue mich, dass nach ihm auf dem Thron der Sassaniden sein betuchter Nachfolger sitzen wird.
CHOSROU: O herrliche Königin, es freut mich, von dir solche Worte zu vernehmen. Ich bin gekommen, euch meine Hand der Freundschaft zu reichen: Wäret ihr unter dem Schutz der Sassaniden, hätte niemand den Mut euch anzugreifen.
BANU: (wird vorsichtig) Mein Prinz, o Sohn des großen Hörmüs, was kann besser sein in dieser Welt als Frieden, ein gutes Verhältnis und Freundschaft unter den Nachbarn? Wir haben noch Zeit darüber zu sprechen. Jetzt heiße ich euch willkommen im Kaukasus – im Land der stolzesten und schönsten Berge! Wir wollen dir, o Chosrou, unsere berühmte kaukasische Gastfreundschaft zeigen.
CHOSROU: Davon habe ich schon oft gehört: man sagt, dass man nirgendwo sonst auf solch große Gastfreundschaft wie im Kaukasus trifft.. Das ist mein erster Besuch hier und bislang habe ich das selbst noch nie erlebt.
BANU: Dein Besuch, mein Prinz, freut mich sehr. Jetzt erlebst du selbst die kaukasische Gastfreundschaft.
Alle ab.
3. Szene
Chosrou und Schirin beim gemeinsamen Spaziergang in der Natur in der Nähe von Barda.
CHOSROU: Ach, wie schön sind die Berge wirklich hier: Nirgends habe ich sonst solch schöne Berge gesehen. Ich bin ganz begeistert.
SCHIRIN: Unsere Berge sind wirklich schön: Das sagen alle Besucher, die zu uns kommen. Wir haben jedoch nicht nur diese Berge, von denen man begeistert sein kann.
CHOSROU: Das ist wahr, o Prinzessin. Deine Schönheit überschattet jedoch die Berge selbst. Solch eine Schönheit habe ich noch nirgendwo erblickt: Weder in unserem großen Reich, noch anderswo.
SCHIRIN: (aufgeregt). Das ist schön zu hören, o Prinz, von dir. Aber…
CHOSROU: Was ist aber? Würde dir jemand besser gefallen als Kronprinz Chosrou?
SCHIRIN: Ich meine nicht das…
CHOSROU: Was meinst du denn? Ich bin her gekommen, alleine dich zu sehen, Schirin! Nachdem Schapur mir von deiner Schönheit erzählt hatte, konnte ich keine Ruhe mehr finden: Ich war in dich verliebt, ohne dich zu sehen. In Wirklichkeit bis du sogar schöner als ich mir vorgestellt hatte.
SCHIRIN: O Prinz, das freut mich, so viel Achtung von dir entgegengebracht zu bekommen. Wie soll ich mich aber jetzt gegenüber deiner Liebe verhalten?
CHOSROU: Gut, du bist noch jung, ich verstehe das. Ich lehre dich eine gute, heiße und leidenschaftliche Liebe – du musst dir keine Sorgen darüber machen. Wir werden Wein trinken, Musik und Gesang hören und die Liebe genießen…
SCHIRIN: Nein, so etwas möchte ich nicht…
CHOSROU: (lacht) Ein junges, unschuldiges Wesen! Ha-ha!.. Das macht nichts: Ich lehre dich die große Liebe …
SCHIRIN: Nein, Chosrou, das will ich wirklich nicht. Ich brauche Zeit um zu überlegen, ob ich dich auch liebe. Was du sagst, finde ich nicht schön, du musst das wissen.
CHOSROU: Ich verstehe es nicht: Der Kronprinz des Sassaniden-Reiches, der künftige Kaiser ist in dich verliebt, und du möchtest ihn ablehnen?
SCHIRIN: Ich habe dir gesagt, dass ich Zeit brauche zum Überlegen: Ob auch ich dich liebe. Außerdem ist meine Vorstellung von der Liebe eine andere als deine. Wo bleiben dabei deine Gefühle? Wenn du diese Gefühle mir gegenüber ebenfalls hegst, werden sie aber erlöschen sobald du mich geliebt hast. So ein Leben, so eine Leidenschaft und Genuss bringen dem Menschen nur Zerstreuung?– das weiß ich. Nein, Chosrou, dem kann ich nicht zustimmen.
CHOSROU: Was für eine Frechheit! Du verweigerst dich der Liebe des Kronprinzen des Sassaniden-Reiches? Was hindert dich daran, frei in der Liebe und Leidenschaft zu sein, die Frucht deiner Schönheit zu genießen?
SCHIRIN: Chosrou, du sollst dich nicht kränken: Bitte gib mir noch Zeit. Wenn ich mich entscheide, dass auch du mir nicht gleichgültig bist, dann werde ich einverstanden sein, deine Frau zu werden.
CHOSROU: Ha, was für eine große Ehre du mir bereitest, Prinzessin? Meine Frau werden? Vielleicht möchte ich das gar nicht. Liebe und Heirat sind verschiedene Angelegenheiten und ich möchte nicht unbedingt eine Frau heiraten, die ich liebe.
SCHIRIN: Ich kann dir nichts anderes sagen, Chosrou. Das musst Du verstehen.
CHOSROU: Hm, so jung und so widerspenstig?.. Mit dem Kronprinz des größten Reiches so zu sprechen? Na gut. Dann werde ich versuchen, dich zu vergessen: Es gibt genug schöne Frauen in der Welt (ab).
SCHIRIN: (hinter ihm) Chosrou, warte, komm bitte zurück: Ich liebe dich auch! Chosrou!.. (ab)
4. Szene
Banu sitzt sehr beunruhigt auf ihrem Thron. Neben ihr steht Schirin.
BANU: Du bist meine schöne Rose, Schirin. Ich wollte nicht, dass so jemand wie Chosrou dich nur ein Mal riecht und dann wegwirft. Sag mir jetzt, was hat der Sohn von Hörmüs dir erzählt, nachdem er dich zum gemeinsamen Spaziergang eingeladen hatte?
Schirin schweigt und seufzt sehr traurig und versucht ihre Tränen vor der Tante zu verstecken.
BANU: Bist du in diesen Chosrou verliebt? Was für ein Irrtum ist das, Schirin? Verstehst du nicht, dass es für solche Männer wie Chosrou keine Liebe gibt; sie kennen nur Genuss, Spaß und verbringen ihre Zeit mit Frauen, Wein, Musik und Vergnügungen. Er würde dich nach zwei Tagen verlassen, nachdem er das Feuer seiner Leidenschaft gelöscht hätte. Schirin, ob du jetzt anders denkst, mein Kindchen? Du warst immer sehr fromm und gläubig. Ob jetzt dir Chosrou deine Vernunft weggenommen hat?
SCHIRIN: Nein, Tante. Ich bin in Chosrou wirklich verliebt, aber meine Vernunft und meinen Glauben habe ich nicht verloren – du kannst dessen sicher sein.
BANU: Ich verstehe dich, Schirin: Wir Frauen haben kein leichtes Schicksal. Was können wir aber tun? So ist unser Geschick. Und auch unsere Religion verlangt von uns streng mit den Männern zu sein.
SCHIRIN: (in Tränen) Tante, ich weiß das alles!
BANU: Seine Zarathustra-Lehre rühmt die freie Liebe und erlaubt ihm alles. Du bist aber Christin und kannst keine andere Beziehung zu Chosrou haben, außer ihn zu heiraten.
SCHIRIN: Ich habe ihm alles auch so erzählt. Aber er…
BANU: Und was sagte er?
SCHIRIN: Er füllte sich beleidigt und ging weg…
BANU: Du hast das gut getan, Schirin, dass du Chosrou abgelehnt hast. Sein Ziel war nur mit dir zusammen einige schöne Nächte zu verbringen eine ernsthafte Beziehung zu dir wollte er nicht haben.
SCHIRIN: (weint) Tante!..
BANU: Mein Kind, ich verstehe, wie das für dich schwer ist. Du muss aber hart bleiben: Wenn Chosrou dich wirklich liebt, macht er dir auch bald einen Heiratsantrag (beide ab).
DRITTER AKT
1. Szene
Nähe der Grenze Kaukasus Albanias zu Iran. Chosrou ist alleine nach Medain unterwegs. Er liegt im Zelt und will sich erholen. Bazirgümid nähert sich Chosrou aufgeregt.
BAZIRGÜMID: Chosrou, mein Sohn, es ist schön, dass ich dich gefunden habe (weint).
CHOSROU (kommt aus dem Zelt heraus). Was ist Alter, was ist los? Wieso weinst du?
BAZIRGÜMID (wischt die Träne ab). Eh Chosrou, frage es besser nicht. Weiß du, was im Land passierte, nachdem du weg warst?
CHOSROU (wird auch aufgeregt): Was ist los, sag mir endlich, sonst zerreißt es mein Herz!
BASIRGÜMID: Mein Sohn, du musst aber ruhig bleiben. Du musst in dir Kraft finden um diesen Kummer zu bewältigen, du musst deinem Land und deiner Familie helfen.
CHOSROU (holt sein Schwert) Wenn du mir jetzt nicht sagst, was los ist, dann wirst du das sehr bedauern.
BASIRGÜMID: Dein Vater, Chosrou… Dein Vater ist ermordet…
CHOSROU: Nein! Das kann nicht sein!.. Ich kann daran nicht glauben!.. Du Alter, was erzählst du mir für einen Wahnsinn?!
BASIRGÜMID: Das ist wirklich so, Chosrou! Dein Vater ist ermordet und es ist für dich sehr gefährlich nach Iran zu fahren.
CHOSROU: Wer hat meinen Vater ermordet?! Wer könnte den großen Kaiser Hörmüs töten? Nein, das kann nicht wahr sein!..
BASIRGÜMID: Bahram Chubin, Chosrou. Sein größter Held, sein bester Feldherr hat den großen Hörmus enthauptet und sitzt selbst jetzt auf dem Thron!
CHOSROU: Bahram Chubin? Wie kann das sein? Ob er wirklich so was tun könnte? Er nannte mich immer „mein Sohn“, „die Zukunft und Würde Irans“, er liebte den Vater sehr und war bereit für ihn zu sterben. Wie viele Schlachten hat er für Hörmüs gewonnen, wie viele Aufstände hat er niedergeschlagen! So sind wirklich die Menschen? So schnell können sie sich ändern? Sie können immer von der Liebe und Treue erzählen, um dann den eigenen Herrn zu enthaupten um auf seinem Thron zu sitzen?
BASIRGÜMID: Das Streben nach Reichtum und Macht macht die Menschen manchmal blind, Chosrou. Sie werden oftmals bereit sein alles zu tun, um diese nur zu erreichen.
CHOSROU: Was ist mit meiner Mutter, den Geschwistern?
BASIRGÜMID: Sie sind mit Hilfe der Priester, Ahura Mazda sei Dank, das Land verlassen. Es ist aber für euch alle jetzt gefährlich, zurückzukehren. Besonders für dich, Chosrou, als den ältesten Sohn von Hörmüs und den Thronfolger. Bahram Chubin schadet niemanden mehr.
CHOSROU: (traurig) Was muss ich jetzt tun? Wo soll ich jetzt hingehen? Wer wird mich jetzt unterstützen, wer braucht mich, wenn den Thron, den ich besteigen sollte, ein anderer schon erobert hat?
BASIRGÜMID: Für dich, Chosrou, wäre gut, jetzt nach Byzanz zu fahren, zu Kaiser Maurikios. Nur er kann dir helfen, den Usurpator zu bekämpfen und den iranischen Thron zurückzuerobern.
CHOSROU: (enttäuscht) Muss ich jetzt zu Irans Feinden gehen und bei denen um Hilfe bitten?
BASIRGÜMID: Natürlich, wird er dich nicht umsonst unterstützen. Du kannst ihm etwas versprechen. Sag ihm, wenn er dir hilft, den Thron zurückzuerobern, gibst du ihm ein paar Gebiete am Schwarzen Meer.
CHOSROU: Leicht zu sagen, ein paar Gebiete… Du kennst die Iraner: Wenn Sie davon hören, kann es wieder überall zu Aufständen kommen. Außerdem glaube ich nicht, dass für Maurikios nur ein paar Gebiete ausreichend würden um mir zu helfen.
BASIRGÜMID: Das Volk Irans wird auf deiner Seite sein, Chosrou! Du bist der Sohn von Hörmüs, des im ganzen Reich geliebten Kaisers, dessen Gerechtigkeit in aller Munde ist. Wer mag denn diesen Usurpator? Du musst nur den Priestern versprechen, ihnen mehr Freiheit zu geben. So kannst du den Thron zurückerobern. Was den byzantinischen Kaisers angeht, kannst du eine seiner Töchter heiraten; er soll mehrere volljährige Töchter haben, die noch nicht verheiratet sind.
CHOSROU: (umarmt Bazirgümid) Eh, Bazirgümid, danke dir für deine Treue, Hilfe und Rat! Wenn es mir gelingt Bahram Tschubin zu besiegen, mache dich zu meinem Hofminister (beide ab).
2. Szene
Kaiserpalast in Konstantinopel. Chosrou und Basirgümid beim Empfang durch Maurikios und Grigorios.
MAURIKIOS: Du hast mir wirklich gut gefallen, Chosrou. Wozu müssen Iraner und Byzantiner weiter kämpfen? Wir haben schon genug gegeneinander gekämpft. Es muss endlich zum Frieden kommen: Der Frieden ist äußerst wichtig für das Christentum.
CHOSROU: Auch für die Lehre Zarathustras ist Frieden sehr wichtig.
BASIRGÜMID: Zwischen unseren Religionen gibt es viele Ähnlichkeiten und sie können auch nebeneinander existieren. Die Bibel ist ein heiliges Buch der Christen, wir – die Zarathustra-Anhänger haben eine eigene heilige Schrift – das Avesta. Wir haben auch einen Gott, Ahura Mazda. Sein Gegner ist wie in der Bibel ein böser Geist. Ihr nennt diesen Geist Satan, wir aber nennen ihn Ahriman.
GRIGORIOS: Die wahre Lehre Christi kann nichts Gemeinsames mit den Glauben von heidnischen Völkern haben…
CHOSROU: Vielleicht können wir diese Gespräche über die Religion ein anderes Mal führen?
MAURIKIOS. Der Prinz hat recht: Zur Religion kommen wir später. Jetzt muss zuerst der iranische Thron gerettet werden.
BASIRGÜMID: Ja wir sind in Not, großer Kaiser! Kronprinz Chosrou braucht deine Hilfe! Hilf ihm mit deinen Armeen! Wenn Chosrou seinen Thron zurückerobert, wirst du den Iran nicht mehr als Feind, sondern als einen guten Freund haben.
MAURIKIOS: Ich selbst bedaure sehr den Tod von Chosrous Vaters: Obwohl wir Feinde waren, war ich immer voller Hochachtung ihm gegenüber. Für mich ist es auch besser, wenn auf dem Thron Irans jetzt Chosrou sitzt und nicht irgendein Usurpator. Mit den Armeen kann ich euch wirklich unterstützen. Dann muss Chosrou mir Kaspiana zurückgeben, das sein verstorbener Vater von uns erobert hatte. Auch Atropatena – Aserbaigan muss ab jetzt uns gehören.
CHOSROU: Du verlangst von mir zu viel, Kaiser. Kaspiana kann ich dir zurückgeben, aber Aserbaigan nicht.
MAURIKIOS: Warum?
CHOSROU: Du kennst die Aseris nicht. Sie sind sehr eifersüchtige Zarathustra-Anhänger. Wenn sie davon hören, veranstalten sie wieder einen neuen Aufstand.
BASIRGÜMID: Das ist wahr: Die Aseris sind ein sehr aufständisches Volk.
MAURIKIOS: Alleine Kaspiana ist aber nicht genug für mich, um eure Abenteuer zu unterstützen.
BASIRGÜMID: Großer Kaiser, du hast schöne, volljährige Töchter. Wenn eine von ihnen Chosrou heiratet, werden deine Enkel die Thronfolger Irans sein.
MAURIKIOS: (sehr froh) Ah, ist das wirklich so? Will der Prinz meine Tochter heiraten?
CHOSROU: Ja, das ist so, großer Kaiser! Ab jetzt können wir auch Verwandte sein.
MAURIKIOS. So erfreulich ist das: Der künftige Kaiser Irans wird mein Schwiegersohn! Dann genügt mir auch alleine Kaspiana!
CHOSROU: Es freut mich auch, Maurikios, dein Schwiegersohn zu werden.
MAURIKIOS (zu Grigorios) Was sagst du dazu, Heiliger Vater?
GRIGORIOS: Das ist wirklich schön: Gott selbst will es, dass ab jetzt unsere Länder im Frieden leben werden. Aber…
MAURIKIOS: Weiter braucht man nicht zu reden. Jetzt gehen wir zu meiner Familie und du, Chosrou, lernst meine älteste Tochter Mariam kennen. Danach feiere ich hier eure Hochzeit und schicke euch mit meinen Armeen in den Iran.
Alle ab.
3. Szene
Konstantinopel. Chosrou und Mariam in einem Zimmer in ihrer Brautnacht.
CHOSROU: Ich wusste nicht, dass es in Byzanz solch schöne Frauen gibt. Und gerade der Kaiser so eine schöne Tochter hat.
MARIAM: Ich aber habe von dir schon gehört, Chosrou. Ich wusste, dass du ein schöner, kluger und mutiger Prinz bist. Aber was soll jetzt werden, Chosrou? Ich bin Christin, du bist ein Zarathustra-Anhänger…
CHOSROU: Du kannst auch bei deiner Religion bleiben. Im Iran wird niemand gezwungen, Zarathustra – Anhänger zu werden, wenn man schon eigene Religion hat.
MARIAM: Nein, Chosrou! Alle müssen Christen werden und der einzig wahren Lehre folgen! Dann gibt es auch Frieden auf der Erde. Diejenige, die keine Christen sind, dienen dem Teufel, weist du das?
CHOSROU: O Mariam! Du musst mir nicht über das Christentum predigen? Das ist unnötig. Ich kenne mich im Christentum gut aus und bin achtungsvoll ihm gegenüber. Aber wieso müssen alle einmal Christen werden? Das verstehe ich nicht.
MARIAM: Chosrou, ich bin selbst nicht sicher, ob wirklich alle auf der Welt Christen werden sollten. Aber als kaiserliche Familie müssen wir uns für die die Lehre Christi einsetzen. Ich fürchte noch sehr für meinen Vater. Die Kirchenväter werfen ihm vor, nicht genug Eifer für die Verbreitung des Christentums zu zeigen. Hier am Hof verübte man schon mehrmals Verschwörungen gegen meinen Vater um ihn zu stürzen. Jedes Mal konnte er das irgendwie verhindern. Aber die Gefahr für ihn ist nicht vorbei. Ich mache mir Sorgen wegen ihm, Chosrou! Aber sonst kann ich das verstehen: Ihr habt eure Religion, bleibt bei eurer Religion, wenn ihr es so wollt.
CHOSROU: Ich werde deinem Vater helfen, wenn ich einmal selbst Kaiser werde. Aber im Iran bleibt immer die Zarathustra-Lehre!
MARIAM: Dann erzähl mir von deiner Religion; erzähl mir etwas vom Iran.
CHOSROU: Iran ist ein schönes, altes Land, mit uralten Traditionen und Geschichte. Wir haben ein Mal fast die ganze Welt erobert, aber dann hat uns Alexander von Mazedonien wegen des Verrats der Hofsleute besiegt. Jetzt sind wir wieder stark. Zarathustra lebte vor zwei ein halb tausend Jahren. Er soll aus den alten iranischen Gebieten – aus Aserbaigan, Sogdiana oder Baktrien kommen. Ich glaube daran, dass er nämlich aus Aserbaigan stammt, weil er nirgendswo mehr so geachtet wird. Und Aserbaigan nannte man immer das Land des Feuers, weil die Religion dort immer stark war. Die Aseris selbst mag ich jedoch nicht, sie brauchen nur einen kleinen Vorwand um einen neuen Aufstand zu machen. Zarathustra sprach vom Kampf vom Licht – dem Guten gegen Finsternis – dem Bösen. Das ist ein ewiger Kampf, wir glauben aber, dass das Gute einst siegen wird.
MARIAM: Ihr seid Götzendiener?
CHOSROU: Nein, wir sind keine Götzendiener. Wir haben die Feuertempel, dort beten wir.
MARIAM: Interessant.
CHOSROU: Nach Zarathustra ist alles heilig, was ein Licht strahlt: Die Sonne, der Mond, die Sterne, der Tag selbst und natürlich das Feuer.
MARIAM: Ihr betet das alles auch an: die Sonne, die Sterne, das Feuer?
CHOSROU: Ja, wir beten das alles an.
MARIAM: Kannst du mir das zeigen, wie ihr das macht?
CHOSROU: Ja natürlich. Jetzt gehen wir auf den Balkon, dort zeige ich dir wie wir beten. (seufzt) Eh Schirin, Schirin, wo bist du jetzt? Wo bist du jetzt, Schirin?
MARIAM: Was hast du gesagt? Mit wem sprichst du?
CHOSROU: Ich habe schon angefangen zu beten.
MARIAM: Wirklich? Dann zeig mir bitte, wie du das machst.
Beide ab.
4. Szene
Chosrou, Mariam und Basirgümid im Lager am Schwarzen Meer.
CHOSROU: Ich konnte nie glauben, dass unsere Priester ein Mal meinen Vater verraten können. Und Dscham, dieser Dscham besonders. Ich liebte ihn immer sehr, wie meinen eigenen Vater, er hat jetzt uns – die Sassaniden verraten.
BASIRGÜMID: Wo es die Macht gibt, gibt es keine Treue und keine Freundschaft mehr. Die Priester Irans wollten immer mehr Macht und mehr Unabhängigkeit für sich haben. Manchmal hat dein Vater aber Druck auf sie geübt und ihre Macht eingeschränkt. Sie haben den Usurpator unterstützt, weil er ihnen mehr Unabhängigkeit versprochen hatte. Wenn Dscham kommt, musst du ihm noch mehr versprechen.
MARIAM: Diese Priester mag ich nicht. Sie tun öfter selbst nicht dass, was sie von anderen verlangen.
CHOSROU: Soll ich sie vom Thron ganz unabhängig machen?
MARIAM. Dann werden sie wollen, das Land selbst zu regieren, Chosrou, ohne dich! Ich kenne diese Priester.
BASIRGÜMID: Der Priester hat schon Macht, weil das Volk niemandem so glaubt wie ihm.
Dscham kommt herein.
DSCHAM: Ich grüße euch alle an diesem hellen und heiligen Tag! O Prinz Chosrou, schöne Prinzessin Mariam, o Weiser Basirgümid!
CHOSROU: Sei uns willkommen, Dscham! Dein Besuch ist eine Ehre für mich! Komm, setzt dich!
Dscham setzt sich neben ihnen.
DSCHAM; Dein Vater, Chosrou, der verstorbene Hörmüs war ein sehr weiser, guter Mensch und sehr beliebt bei den Priestern und dem Volk. Das iranische Volk und wir Priester wollen, dass du jetzt auf den Thron steigst.
CHOSROU: Danke, Dscham, das freut mich sehr, wenn ihr alle mich und meinen verstorbenen Vater so liebt.
DSCHAM: Dein Vater, o Prinz Chosrou, machte aber ein Mal einen Fehler: Er erfüllte nicht, was er uns versprochen hatte. Ein Mal haben wir mit ihm vereinbart, dass wir Priester selbst die religiösen Sachen entscheiden können, ohne ihn zu fragen. Er bestrafte aber ein Mal einen Priester, der unabhängig eine Entscheidung getroffen hatte. Deswegen wollten die Priester ihm nicht mehr wie früher vertrauen, und Bahram Chubin benutzte das, um deinen Vater zu stürzen. Außer mir sind dann alle anderen Priester zu ihm übergelaufen. Was sollte ich tun? Alleine könnte ich sowieso nicht viel schaffen. Ich blieb als Hauptpriester, weil ich hoffte, dich irgendwann wieder an die Macht zu bringen.
CHOSROU: Danke dir, Dscham, danke für deine Treue! Ich brauche wieder die Unterstützung von allen Priestern. Ich will, dass ihr mir beisteht, zusammen mit dem Volk, wenn ich mit den Armeen das Land betrete.
DSCHAM: Das werden wir tun, Chosrou. Aber die Priester haben eigene Erwartungen an dich.
CHOSROU: Welche?
DSCHAM: Die größte Schwierigkeit liegt wieder bei den Priestern. Sie wollen, dass deine Macht eingeschränkt wird und du uns völlige Freiheit gibst und dich niemals in die Sachen der Religion einmischst.
MARIAM: Ach diese Priester! Sie wollen nur alles für sich!
BASIRGÜMID: Das ist zu viel, was ihr verlangt, Dscham.
DSCHAM: Das verlangen vor allem die Aseri-Priester. Sie sind gleichzeitig mit Bahram sehr unzufrieden. Das können wir ausnutzen. Dann beginnen sie selbst einen Aufstand gegen den Usurpator.
CHOSROU: Ich weiß, dass Aseris für den Aufstand gut sind. Wie kannst du mich aber überzeugen, dass sie später auch gegen mich keinen Aufstand machen werden, wenn es mir gelingt, den Thron zu übernehmen?
DSCHAM: Das wird davon abhängig sein, wie du dein Versprechen erfüllst. Du musst, Chosrou, trotzdem die Gelegenheit nutzen, den Usurpator zu stürzen und deinen Thron zurückzuerobern. Ein anderes Mal schaffst du das vielleicht nicht mehr.
BASIRGÜMID: Ich denke, Dscham hat Recht. Du musst diese Gelegenheit nutzen.
CHOSROU: Und muss ich alle Bedingungen der Priester annehmen?
DSCHAM: Sonst werden sie dich nicht unterstützen, Chosrou. Du musst selbst entscheiden.
CHOSROU: Gut, ich nehme alle eure Bedienungen an.
DSCHAM: Sehr gut! Das gebe ich allen Priestern weiter.
Dscham steht auf und will gehen.
CHOSROU: Wir möchten dich jetzt auch begleiten, Dscham. Vielleicht sprechen wir noch weiter über etwas (alle ab).
5. Szene
Chosrou sitzt auf seinem Thron am Hof der Sassaniden in Medain.
CHOSROU: (fröhlich) Endlich, endlich sitze ich auf dem Thron! Auf dem Thron des großen Reiches! Wie lange habe ich von diesem Thron geträumt! Ich war sogar neidisch auf meinen verstorbenen Vater, da ich selbst Kaiser sein wollte… Und was ist mit der Religion? Und können wirklich eines Tages alle gleich werden, wie Zarathustra es lehrte, sodass es im ganzen Land weder Reiche noch Arme gibt? Ja Zarathustra sprach davon, aber das, was er sagte, ist nicht möglich. Nein! Auf dieser Welt können nicht alle gleich werden: einige werden immer reich, die anderen arm sein. Wenn du aber die Macht erlangen willst, musst du immer viel versprechen und es dann aber nicht erfüllen. Ich habe das alles erst jetzt verstanden. Was wäre denn geschehen, wenn ich meine Versprechen den Priestern gegenüber erfüllt hätte? Dann wäre Kaiser Chosrou ohne Macht! Nein, so dumm bin ich auch nicht! Diese Priester und ihren Aufstand habe ich genutzt, um den Thron zurückzuerobern. Ich habe festgestellt, was diese Priester hinter sich haben – die Lehre von Masdak9. Sie wollen ein Reich ohne Schah! Aber das werdet ihr nicht erleben! Selbst das Ende von Masdak scheint ihnen keine Lehre zu sein. (nach kurzer Pause) Hei, bringt mir diesen Sirwan her.
Zwei Bewaffnete bringen Sirwan herein.
CHOSROU: Macht ihr ihm die Hände frei!
Die Bewaffnete machen die Hände Sirwans frei.
CHOSROU: Sirwan, was willst du? Willst du, dass ich dir dein Leben schenke?
SIRWAN: Nein, ich will das nicht.
CHOSROU: Was willst du aber, sag mir!
SIRWAN: Die Freiheit und Gleichberechtigung für alle Menschen!
CHOSROU: Masdak sprach auch davon viel. Wie er endete, weiß du, nicht wahr? Du bist auch ein Priester und während die anderen Priester mir gegenüber weiterhin gehorsam bleiben, hast du das Volk gegen mich aufgehetzt! Wenn du mir jetzt versprichst, dass du ab jetzt damit aufhörst, lasse dich gehen.
SIRWAN: Nein, Schah! Mach dir keine falschen Hoffnungen! Ich werde mit meinem Kampf um die Freiheit und Gleichheit nie aufhören. Und es kommt der Tag, auf den wir warten! Eure Lügen können euch dann nicht mehr helfen und die Menschen werden euch nicht mehr glauben! Wir stürzen euch alle von euren Thronen! Es wird in keinem Land mehr Reiche und Arme geben. Alle werden in Wirklichkeit frei und gleichberechtigt sein und nicht in Worten! Es wird keine Feindschaft mehr zwischen den Völkern und Ländern geben. Das braucht ihr, durch die Kriege die Völker auseinanderzusetzen. Wir stürzen euch und es wird in der ganzen Welt Liebe, Brüderschaft und Freundschaft herrschen!
CHOSROU: Das alles, was du sagst, steht in unserem heiligen Buch Avesta. Denkst du, dass ich gegen Avesta oder gegen Zarathustra bin?
SIRWAN: Ihr lügt, ihr Herrscher: Ihr sprecht im Namen Gottes, aber handelt im Leben ganz anders. Du bist ein Lügner, Schah! Du hast das nicht erfüllt, was du uns, den Priestern, am Anfang versprochen hattest. Du hast den Tod verdient!
Sirwan ergreift das Schwert eines Bewaffneten und fällt über Chosrou her. Chosrou verteidigt sich und tötet mit seinem eigenem Schwert Sirwan.
CHOSROU: Jetzt siehst du, wer von uns den Tod verdient hat (zu den Bewaffneten). Ihr Blöden, wieso erlaubt ihr ihm, euch das Schwert abzunehmen?! Nehmt ihn jetzt und bringt weg! Schnell!
Die Bewaffneten bringen die Leiche von Sirwan weg.
CHOSROU: Ich muss noch Mal mit Dscham sprechen. Besser, wenn ich selbst ihn im Tempel besuche (ab).
DRITTER AKT
1. Szene
15 Jahre später. Kaiserpalast in Konstantinopel. Pfackos und Grigorios.
GRIGORIOS: Eure Kaiserliche Hoheit, ich will euch von der Königin vom Kaukasus Albania erzählen: Schirin ist eine fromme Christin und sich ihrer Pflicht sehr bewusst.
PFACKOS: Schirin, Königin von Albania? Ist sie es nicht, die eine Liebesbeziehung zum iranischen Kaiser hat?
GRIGORIOS: Es stimmt, Eure Kaiserliche Hoheit, das ist sie.
PFACKOS: Wie könnt ihr das denn bloß erlauben, zum Kaiser Irans, dem Feind von Byzanz solch eine Verbindung zu haben? Hat man sie davor nicht gewarnt oder wie?
GRIGORIOS: Maurikios wollte die Liebesbeziehung zwischen Schirin und Chosrou nutzen, um Einfluss auf den Kronprinzen zu nehmen. Wenn er dann Kaiser wäre, hätte Byzanz einen mächtigen Verbündeten im Osten. Was für eine große Aufgabe! Und Schirin wäre nicht nur bereit, sondern glücklich diese zu erfüllen.
PFACKOS: Und was störte sie dann?
GRIGORIOS: Stattdessen gab Maurikios seine Tochter Chosrou zur Frau! Das hat alles durcheinender gebracht.
PFACKOS: Dasselbe könnte aber seine Tochter auch tun, sogar besser. Nicht wahr, Eure Heiligkeit?
GRIGORIOS: Das kann gerade nicht jede Frau, Eure Kaiserliche Hoheit! Wenn sie auch die Tochter des Kaisers von Byzanz ist. Maurikios sagte auch, dass seine Tochter jetzt diese Aufgabe viel leichter und viel besser erfülle als Schirin. Man brauche Schirin nicht mehr. Aber Maurikios Tochter Mariam hat es nicht geschafft, weil sie zu schwach war und nach der Heirat mit Chosrou Byzanz völlig vergaß. Und als Chosrou nach Maurikios Tod, also vor zehn Jahren, einen neuen Krieg gegen uns angefangen hatte, leistete Mariam keinen Widerstand mehr. Der Krieg dauert nun seit zehn Jahren. Wenn es so weiter geht, wird er irgendwann auch Byzanz erobern, weil der Iran nun viel stärker ist als wir.
PFACKOS: Das ist traurig. Und was machte Schirin in diesen Jahren?
GRIGORIOS: Schirin wurde durch diese Heirat sehr unglücklich. Sie lebte in diesen fünfzehn Jahren nur wie eine fromme Christin, führte ein Leben wie im Kloster, obwohl sie dann Königin von Albania wurde. Vor kurzem starb die Frau von Chosrou. Schirin hat wieder Hoffnung, Chosrou für sich zu gewinnen, falls wir nicht dagegen sind. Sie hat mir dazu schon einen Brief geschrieben (zeigt dem Kaiser einen Brief). Sie will jetzt ihren Thron jemandem anderen übergeben und selbst in den Iran umsiedeln. Sie bittet nun um unsere Erlaubnis.
PFACKOS: Ist das nicht gefährlich für sie?
GRIGORIOS: Chosrou wird sie schützen, daran gibt´s nichts zu deuten. So kann sie wieder Einfluss auf Chosrou haben und ihn heiraten. Danach kann der Iran für immer ein Verbündeter von Byzanz werden.
PFACKOS: Das klingt alles sehr eindrucksvoll, Eure Heiligkeit! Aber was denkt ihr, kann es nicht sein, dass unter dem Einfluss von Chosrou selbst Schirin uns vergessen wird?
GRIGORIOS: Das ist ausgeschlossen, Eure Kaiserliche Hoheit! Schirin ist sehr stark in ihrem Glauben, sie wird alles dafür tun, dass zwischen dem Iran und Byzanz wieder Frieden herrscht.
PFACKOS: Gut, ich verlasse mich auf Euch, Eure Heiligkeit. Wir können dann Schirin erlauben, in den Iran umzusiedeln.
GRIGORIOS: Die arme Schirin, sie wird sich wieder sehr freuen. Dann muss ich ihr jetzt eine Antwort schreiben lassen.
PFACKOS: Wartet, Eure Heiligkeit, ich komme ebenfalls mit. Das alles scheint sehr wichtig zu sein und es gibt einige Dinge, die wir noch besprechen sollten, was Schirin und Chosrou angeht. (beide ab)
2. Szene
Schirins Palast in Barda. Schirin und Nakisa.
NAKISA: Schirin, du bist wieder sehr traurig. Vergiss du diesen Chosrou endlich. Es gibt so viele christliche Könige, die um deine Hand und Dein Herz bitten. Du sollst dich endlich für eine von ihnen entscheiden.
SCHIRIN: Nein, Nakisa, ich kann meine Liebe und mein Herz nicht verraten. Ich liebe nur Chosrou!..
NAKISA: Du hoffst vielleicht, dass er dich jetzt heiratet, nachdem seine Frau gestorben ist? Wie kannst du ihn heiraten, du eine christliche Königin einen heidnischen Kaiser?
Diener kommt herein.
DIENER: Ein Brief aus Byzanz (er gibt den Brief bei Schirin ab, verbeugt sich und geht).
SCHIRIN (aufgeregt, macht den Brief auf): Ein Brief vom Heiligem Vater Grigorios und der Kaiserlichen Hoheit Pfackos. (liest schnell durch) Sie haben mir es erlaubt, Nakisa! Sie haben mir erlaubt, nach Iran umzusiedeln und die Lehre Gottes dort zu predigen! Was für ein Glück! Ich muss jetzt nur überlegen, wem ich den Thron überlasse. (zu Nakisa). Komm, gehen wir auch den anderen Bescheid geben.
NAKISA: Das freut mich, jetzt ziehen wir nach Iran um(beide ab).
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3. Szene
Ein Schloss in der Nähe von Medain. Chosrou ist mit seinen Hofsleuten und deren Frauen beim Vergnügen. Hinter dem Vorhang sieht man ihre deutlichen Schatten, die folgendes Spiel spielen: Die Frauen sollen mit geschlossenen Augen die Männer fangen und dann direkt das Liebesspiel mit ihnen vor den Augen der anderen beginnen. Man hört wie sie alle lachen, klatschen und begeistert schreien. Schirin, verschleiert, kommt herein und macht ihre Augen zu als sie das alles hört und sieht und schaut weg, damit sie die Schatten des Liebebesspiels hinter dem Vorhang nicht sieht. Chosrou kommt in guter Laune rein.
CHOSROU: Schirin! Bist du wirklich gekommen? Ich traue meinen Augen nicht!
SCHIRIN: Chosrou! Ich freue mich auch, dich wieder zu sehen!
Chosrou kommt zu ihr nah und nimmt ihre Hände in seine Hände.
CHOSROU: Schirin, ich habe dich sehr vermisst! Ich habe dich so lange nicht gesehen!
SCHIRIN: Ja wirklich! Das ist schon lange her, als wir uns das letzte Mal gesehen hatten.
CHOSROU: Das ist schön, dass du meine Einladung angenommen hast. Willst du jetzt wirklich unsere schönen Spiele mitspielen, frei und glücklich sein?
Schirin befreit ihre Hände und macht ein paar Schritte zurück.
SCHIRIN: Dafür bin ich bin nicht gekommen, Chosrou.! Ich bin gekommen, um mit dir zu reden.
CHOSROU: Ah, wieder reden? Worüber? Wenn es über die Liebe ist, dann bin ich gerne bereit!
SCHIRIN: Nicht alleine über die Liebe, auch über Vernunft und Moral
CHOSROU: Über Vernunft und Moral? Hast du überlegt ob du meine Frau sein willst? Ich bin allerdings wieder frei: Meine Frau ist gestorben.
SCHIRIN: Ich habe das schon gehört, Chosrou. Ich weiß, dass deine Frau gestorben ist und dir einen Sohn zurückgelassen hat. Es tut mir sehr leid.
CHOSROU: Bist du dann gekommen, mir dein Beileid zu äußern, sag mir!
SCHIRIN: Nein, Chosrou, nicht nur deswegen. Du weiß, dass ich jetzt auch im Iran lebe. Ich konnte nicht mehr in meinem Land regieren und bin nach Iran übersiedelt. Im Süden Irans habe ich für mich ein Schloss aufgebaut und lebe dort seit einem Jahr.
CHOSROU: Ich weiß das, Schirin, ich weiß das! Ich kann aber nicht verstehen, weswegen du das alles machst?
SCHIRIN: Wegen dir, Chosrou, wegen meiner Liebe zu dir! Hast du das bis jetzt nicht verstanden? Obwohl das für eine Frau peinlich sein muss, wenn sie einem Mann über ihre Liebe erzählt, ich sage dir offen: Ich liebe dich, Chosrou! Und seit Jahren, seit unserer ersten Begegnung in Barda…
CHOSROU: Ich liebte dich auch immer Schirin und ich liebe Dich auch jetzt. Ich bin sogar sicher, dass dich niemand so lieben kann wie ich. Mein Herz, meine Reichtümer, mein großes Reich liegen zu deinen Füßen, Schirin! Was stört uns jetzt, wenn wir beide uns lieben? Was stört uns glücklich zu sein und im Meer der Liebe zu schwimmen?
SCHIRIN: Vieles stört uns, Chosrou.
CHOSROU: Was stört uns, sag mir?
SCHIRIN: Du verstehest eins nicht: Ich kann nicht deine Frau sein, solange du so ein unmoralisches Leben führst. Wenn du mich wirklich liebst, musst du mir jetzt zuhören.
CHOSROU: Ja Königin! Das ist schön von dir zu hören!
Chosrou geht zu Schirin und will sie umarmen. Schirin erlaubt ihm das nicht und tritt wieder einige Schritte zurück.
SCHIRIN: Nein, das ich meine nicht, Chosrou! Du bist immer noch wild. Ich kann dich nur heiraten, wenn du dich änderst. Das wäre die Rettung für unsere Liebe, glaub mir!
CHOSROU (lacht): Ha-ha! Es gibt die Rettung für unsere Liebe!
SCHIRIN: Du muss nicht lachen und das ernsthaft annehmen, was ich dir sage.
CHOSROU: Und was für ein Leben führe ich? Was gefällt dir nicht?
SCHIRIN: Du denkst nur am Spaß, du läufst nur dem Gefühl hinterher. Und morgen willst du mehr haben als heute – nur das willst du.
CHOSROU: Und woran soll ein Mensch noch denken? Das Leben ist zu kurz und es wurde dem Mensch nur ein Mal gegeben. Seine vorher gezählte Tage auf der Erde schön zu verbringen, reich, glücklich und frei sein – ist das nicht der Sinn des Lebens? Die Freiheit und Liebe genießen – soll ein Mensch etwas anderes wollen als dies?
SCHIRIN: Nein, Chosrou, nicht das ist der Sinn des Lebens! Der Mensch braucht in Wirklichkeit etwas anders als du sagst.
CHOSROU: Was ist denn das? Sag bitte!
SCHIRIN: Sich selbst und seine Wünsche einzuschränken!
CHOSROU: Ah, du sagst wieder dasselbe! Das ist alles der Einfluss der Byzantiner auf Albania. Ich weiß aber, dass vor zweihundert Jahren, bevor in Albania das Christentum siegte, standen in eurem schönen Land hinter den mächtigen Bergen überall die Zarathustra-Tempel; in jedem Dorf brannte Feuer wie heute im Iran. Das ist schade, dass ihr das alles heute nicht mehr habt.
SCHIRIN: Du muss dich ändern, Chosrou! Nicht mehr so weiter leben!
CHOSROU: (lacht). Ha-ha! Die Freiheit, den Spaß und Liebe gegen solch ein eingeschränktes Leben zu tauschen? Nein, Schirin! Das ist unmöglich! Niemand, der schon die Liebe, die Freiheit und den Spaß kennt, wird das annehmen.
SCHIRIN: Was bedeutet schon diese äußerliche Freiheit, Chosrou? Unsere Seelen sind schwach und ungeschützt, solange sie nicht von dem Glauben unterstützt werden. Frei sein ist das, sich in die Macht der dunkeln Kräfte zu begeben und die eigene Seele von denen beherrschen und zerreißen zu lassen? Im Dunkeln der Unwissenheit leben und dann sich täuschen, dass ihr alle frei seid? Wovon du sprichst, das ist nur die äußerliche Freiheit, Chosrou. Wenn man aber die äußerliche Einschränkung hat, macht das den Menschen innerlich frei, geschützt vor dem Bösen und macht glücklich.
CHOSROU: Nein, das, was du sagst, ist für mich unvorstellbar: Wie kann die eigene Freiheit aus der Hand geben?
SCHIRIN: Deine Freiheit ist ein Irrtum, Chosrou!
CHOSROU: Aber, meine Königin, wozu sind die Schönheiten der Frauen, wenn die Männer sie nicht genießen können? Genauso müssen auch die Frauen ihre Wünsche, ihre Liebe und ihre Erregung erleben können. Eine Frau darf mit einem Mann schlafen, von dem sie träumt, ob sie verheiratet ist oder nicht. Und sie muss das auch vor ihrem Mann nicht verbergen. Wozu ist das? Ich weiß, dass viele bei euch so was heimlich tun: Äußerlich halten sie die Forderungen ihrer Religion ein, aber können trotzdem mit einem fremden Mann schlafen. Bei uns ist aber alles offen: Es lebe die freie Liebe!
SCHIRIN: Mit einem Mann für den Spaß zu schlafen ist vom Teufel! Eure freie Liebe ist auch vom Teufel! (zeigt auf die beweglichen und lauten Schatten hinter dem Vorhang) Wie könnt ihr, Chosrou, das zulassen, dass eure Frauen, die Mütter eurer Kinder, mit den fremden Männern solche sündige Spiele spielen und dabei mit jedem von ihnen schlafen können?
CHOSROU: Ich weiß, dass alle Frauen von so einem Spiel und von anderen Männern träumen. Wie kann ein Mann das seiner Frau verbieten? Dann wäre sie sein Eigentum. Das gerade verbot Zarathustra, die eigene Frau zum Eigentum zu machen.
SCHIRIN: Das alles ist ein Irrtum, Chosrou! Du musst ab jetzt anders sein!
CHOSROU: Das kann ich nicht tun, Königin! Wie die Sassaniden unterstützen nur in eine sehr eingeschränkte Betrachtung von der Lehre Zarathustras. Sonst sollten alle gleich sein, niemand sollte das Eigentum beherrschen. Im Land passieren schon Aufstände: Manche fordern, dass die Lehre von Zarathustra so erfüllt werden muss wie in Schriften der Avesta steht. Und die freie Liebe muss so sein, dass jeder mit jedem schlafen kann. Ich schränke das ein für das Volk, aber verbieten kann ich ihm das nicht. Deswegen erlaube ich nur ein Mal im Jahr freie Liebesspiele zu spielen. Aber nach Zarathustra dürfte man das jeden Tag tun.
SCHIRIN: (bitter) Überlege, Chosrou, ob du unsere Liebe retten und mich heiraten willst. (ab)
CHOSROU: Schirin, was ist für dich wichtiger? Dein Glaube oder das, dass wir uns schon so lange lieben? (ab)
4. Szene
Schirin ist im Schloss von Schirin im Süden Irans. Ihre Freundin Nakisa spielt Harfe und zitiert Gedichte:
Ein Auge war uns offen in die Welt,
ein zweites Auge hat sich ihm gesellt:
Die Heiligkeit zu sehen, taugen
Besser als eines doch zwei Augen!
NAKISA: Ach, das ist langweilig… Singe ich besser was anders.(nach kurzer Pause) Schirin, weißt du, ich habe es schon lange gemerkt, dass dieser Maler aus China Far-Hat Sin in dich verliebt ist.
SCHIRIN: Lass bitte deine Gerüchte, Nakisa.
NAKISA: Ach Schirin, das schafft man alles noch. Das Leben geht vorbei. Ist das der Glaube, ganze Tage im Schloss traurig zu sitzen, beten oder predigen gehen? Wir sind keine Nonnen, Schirin. Das weißt du selbst.
SCHIRIN: Aber viel lachen und viel spielen muss man auch nicht.
NAKISA: Schirin, meine Liebe, du wirst immer strenger zu mir. Ich verstehe, dass für dich der Glaube sehr wichtig ist. Aber Gott verbietet es nicht zu lieben und verliebt zu sein.
SCHIRIN: Das alles ist nebensächlich.
NAKISA: Das ist es aber nicht für alle!
SCHIRIN: Ah, Nakisa!
NAKISA: Schirin, du bist noch jung und schön…
SCHIRIN: Lass das, Nakisa! Ich habe es dir schon gesagt!
NAKISA: Schirin, entschuldige bitte, du wirst aber immer langweiliger, merkst du das selbst nicht? (singt)
Auch Venus war zuerst allein,
da lieh das Glück die Hand,
und Jupiter in Konjunktion
Frau Venus sich verband.
Siehst du, wie wichtig die Liebe ist! Und dieser Far-Hat hat sich auch in dich verliebt!
SCHIRIN: Ich liebe nur Chosrou, das weißt du, Nakisa! Und niemanden außer ihm werde ich mein Herz geben.
NAKISA: Dein Chosrou ist dir aber nicht treu: Er heiratete andere Frau, sollte das aber nicht unbedingt tun.
SCHIRIN: Nakisa, bohre nicht in meiner Wunde!
NAKISA: Eh, Schirin, ein solch junger Mann wie Far-Hat ist in dich verliebt, du willst aber davon nicht wissen.
SCHIRIN: Mein Herz gehört alleine Chosrou.
NAKISA: Gut, Schirin. Ich habe dich gut verstanden. So zu lieben und so treu der eigenen Liebe sein, kann nicht jede Frau. Aber vielleicht gehen wir jetzt besser spazieren? Den ganzen Tag hier im Schloss zu sitzen ist wieder keine gute Sache.
SCHIRIN: Einverstanden; Gehen wir bisschen spazieren.
NAKISA: Endlich! Darf ich aber dir unterwegs noch bisschen von Far-Hat weiter erzählen?
SCHIRIN: (lacht) Du bist, Nakisa, eine verhärtete Sünderin… Nur ganz kurz!
Beide ab.
VIERTER AKT
1. Szene
Palast der Sassaniden in Medain. Kaiser Chosrou sitzt auf seinem Thron. Neben ihm steht sein Hofminister Basirgümid.
CHOSROU (zum Hofminister): Dieser Maler aus China erzählt überall von seiner Liebe zu Schirin und alle denken, dass auch Schirin ihn liebt. Ich, der große Kaiser, liebe seit Jahren Schirin. Ich könnte sie nie vergessen, wenn das ich auch wollte. Ich hoffe immer noch, dass ich einmal ihre Schönheit genießen werde, obwohl sie mich bereits zurückgewiesen und beleidigt hat. Und jetzt kommt dieser Far-Hat und will sie mir wegnehmen. Nein, Chosrou ist nicht jemand, der so leicht aufgibt. Was machen wir jetzt mit ihm, wenn Far-Hat kommt?
HOFMINISTER: Geduld, o großer Schah, Geduld: Nur so kannst du auch in der Liebe glücklich sein und deine Gegner bekämpfen. Wir geben jetzt diesem Far-Hat eine unerfüllbare Aufgabe: Wir schicken ihn den Berg Bisutun zu spalten.
Far-Hat kommt herein; er ist stolz und ruhig. Chosrou wird von seinem Verhalten nervös, aber versucht ruhig zu bleiben.
CHOSROU: Wo kommst du Junge her?
FAR-HAT: Aus dem Land der Liebe.
CHOSROU: Was gibt´s denn in diesem Land zu tun?
FAR-HAT: Nur lieben und traurig sein.
CHOSROU: Kommt deine Trauer vom Herzen?
FAR-HAT: Die Liebe zu Schirin hat nicht nur mein Herz, sondern auch meine gesamte Seele erobert.
CHOSROU: Ist sie vielleicht ein Mond für dich, den du nachts siehst?
FAR-HAT: Ich schlafe überhaupt nicht und denke nur an meine Liebste.
CHOSROU: Wann könntest du sie vergessen?
FAR-HAT: Selbst im Grabe nicht!
CHOSROU: Wenn Schirin von dir dein Leben fordert als Beweis für deine Liebe?
FAR-HAT: Ich wäre glücklich, ihr mein Leben zu schenken.
CHOSROU: Besser lass Schirin – ihr seid kein Paar!
FAR-HAT: Nur durch den Tod könnte ich auf sie verzichten.
CHOSROU: Gut, ich bin sehr angetan von deiner Klugheit und deinem Scharfsinn. Ich habe gehört, dass du in der Kunst und im Bergspalten ebenso stark bist wie in der Liebe. Ist das wahr?
FAR-HAT: Selbstlob ist mir fremd: Meine Arbeit und Mühen sollten die anderen einschätzen.
CHOSROU: Gut, ich habe das schon von den anderen gehört, dass du in diesen
Dingen ein großer Meister bist.
FAR-HAT: Was willst du, Schah, sprich bitte offen zu mir.
CHOSROU: (zum Hofminister) Er ist aber frech, der junge Mann! Er bringt mich sogar dazu, mich zu ärgern.
BASIRGÜMID: Ärgere dich nicht, mein Schah: Nur Geduld kann dir helfen, diesem jungen Mann Einhalt zu gebieten.
CHOSROU: Ja, hör mir zu: Den großen Berg Bisutun kennst du wohl?
FAR-HAT: Ich habe von diesem Berg gehört.
CHOSROU: Dieser Berg ist sehr alt und gilt als Stolz des Irans. Er selbst besteht aber alleine aus Stein; er ist erd – und pflanzenlos. Der Bisutun stört den Fluss, der deswegen seinen Weg zu den Steppen nicht finden kann.
FAR-HAT: Was hat das jetzt mit mir zu tun, Schah?
CHOSROU: Du musst den Berg Bisutun durchdringen und den Fluss durch ihn hindurch fließen lassen. Wenn der Fluss dort fliesst, werden wir wieder genügend Wasser haben und die Steppen bewässern., auf die dort die Sonne gnadenlos brennt, Traust du dir das zu?
FAR-HAT: Das ist eine sehr schwere Aufgabe, Schah. Ich bin kein Bergspalter; ich bin ein Maler und Architekt.
CHOSROU: Du bist aber klug: Du verstehst viel davon, woraus ein Berg besteht. Und mein Gefühl sagt mir, dass du der einzige bist, der das schaffen kann.
FAR-HAT: Nein, Schah: Das schaffe ich nicht!
CHOSROU: Wenn ich dir das nun aber befehle?!
FAR-HAT: Mir kann außer meinem Herzen niemand etwas befehlen!
CHOSROU: (zum Hofminister) Was soll ich jetzt tun? War das nicht genug, dass dieser Schuft mir Schirin wegnehmen will, beleidigt er mich jetzt noch dazu.
HOFMINSTER: (leise zu Chosrou) Geduld, mein Schah, Geduld! Sag ihm, dass er das trotzdem tun muss. Und nicht nur für dich, sondern auch für Schirin: Dort, wo ihr Schloss steht, ist sehr heiß und es gibt auch wenig Wasser.
CHOSROU: Gut, dann tue das für Schirin, wenn du sie wirklich liebst: Sie leidet selbst daran, dass es wenig Wasser in dieser Gegend gibt. Durchdringe den Berg Bisutun in Namen Schirins, im Namen deiner Liebe zu ihr!
FAR-HAT: Wenn es für Schirin ist, gibt es Nichts, was ich nicht in ihrem Namen schaffen könnte. Also ich übernehme das, Schah: Ich werde den Berg Bisutun durchbohren und das Wasser in die heißen Steppen fließen lassen. Ich habe nur eine Bedingung.
CHOSROU: Welche Bedingung?
FAR-HAT: Wenn ich das schaffe, musst du auf Schirin verzichten.
CHOSROU: (sehr wütend) Wie?! Ach du Schamloser! Ich töte dich jetzt!
Chosrou steigt von seinem Thron und will mit seinem Schwert über Far-Hat herfallen. Er wird aber vom Hofminister daran gehindert.
HOFMINISTER: Mein Schah, bleib ruhig. Halte dich in Zaum… Bitte! Sag ihm ja – er schafft das sowieso nicht!
Chosrou steckt sein Schwert wieder ein und geht zu seinem Thron zurück.
CHOSROU (nachdenklich): Lass es so sein: Ich bin einverstanden. Wenn du den Berg Bisutun abspaltest und den Weg fürs Wasser schaffst, dann werde ich auf Schirin verzichten. Ich gebe dir mein Wort als Schah. Aber wenn du das nicht schaffst, muss du für immer den Iran verlassen und nie wieder den Namen Schirin auf deiner Zunge tragen.
FAR-HAT: Einverstanden! Wann kann ich mit der Arbeit anfangen?
CHOSROU: Wann du willst.
FAR-HAT: (sehr froh) Schon heute, schon heute beginne ich mit der Arbeit in den Bergen! Ah, Schirin, Schirin!.. Außer dir gibt es nichts für mich auf dieser Welt!..
Far-Hat läuft weg.
CHOSROU: So wie ich diesen Jungen sehe, kann er wirklich Vieles schaffen: Wenn er Schirin wirklich so unbändig liebt, kann er in ihrem Namen sogar durch den Bisutun einen Weg für den Fluss bahnen, denke ich.
HOFMINISTER: Das ist unmöglich, mein Schah. Das schafft niemand, den Tausende Jahre alten Berg Bisutun zu durchdringen.
CHOSROU: Gut, wenn es so ist, brauche ich mir auch keine Gedanken zu machen. Komm jetzt, hilf mir, ich sollte eine Antwort auf den Brief des Kaisers von Byzanz verfassen.
Beide ab.
2. Szene
Ein Monat später. Palast der Sassaniden in Medain. Kaiser Chosrou sitzt auf seinem Thron. Sein Hofminister Basirgümid kommt herein.
HOFMINISTER (sehr unruhig): Großer Schah! Jetzt hat mir jemand die Nachricht von Far-Hat gebracht: Er hat auf dem Berg Bisutun mit dem Bergeisen das Bild von Schirin gezeichnet.
CHOSROU: Ja schön. Arbeitet dieser Kerl immer weiter?
HOFMINISTER: Ja. Und Schirin war sogar bei ihm zu Besuch.
CHOSROU: (gereizt).Wann war das?
HOFMINISTER: Von ein paar Tagen: Sie wollte ihr Bild auf dem Berg sehen.
CHOSROU: Ach, dieser verdammte Chinese…
HOFMINISTER: Schah, habe bitte Geduld, Geduld!..
CHOSROU: Eh, Schirin!.. Wen liebst du wirklich: mich oder diesen dreckigen Maler?
HOFMINISTER: Das Schlimmste ist, mein Schah, dass Far-Hat wirklich den Berg durchspaltet, wenn es so weiter geht.
CHOSROU: Wie? Das kann nicht sein! Was bedeutet das? Muss ich dann wirklich auf Schirin verzichten? Nein! Das mache ich niemals!
HOFMINISTER: (begeistert) Ich wusste nicht, dass die Liebe jemanden so stark machen kann, dass er das Unmögliche schafft. Das ist ein ganz neuer, aber ein besonderer und schöner Fall in meiner Erfahrung: Ich muss das notieren.
CHOSROU: Ach du alter Rabe, wegen dir habe ich diesem staubigen Maler mein Schahwort gegeben, auf Schirin zu verzichten, wenn er die Aufgabe erfüllt! Dir gefällt aber diese Geschichte wie ich sehe. Wie soll es jetzt weiter gehen? Du hast es dazu gebracht, du musst dafür nun auch eine Lösung finden! Sonst rollt dein Kopf!
Chosrou klatscht.
CHOSROU: Hei Henker!
Der Henker kommt rein.
HENKER: Ich befolge deinen Befehl, großer Schah.
CHOSROU: (zeigt auf den Hofminister) Hack diesem blöden alten Mann den Kopf ab!
Der Henker will den Hofminister holen.
HOFMINISTER: O großer Schah, erbarme dich, erbarme dich! Begnadige den alten Mann!
CHOSROU: Hast du schon eine Lösung?
HOFMINISTER: Ja, ich habe schon die Lösung.
CHOSROU: Gut. (zum Henker) Du kannst jetzt gehen.
HENKER: Ich befolge deinen Befehl, großer Schah.
Henker geht weg.
CHOSROU: Denke nicht, dass ich dich begnadigt habe. Wenn du nicht sofort eine Lösung findest, rollt dein Kopf sowieso.
HOFMINISTER: Ich habe schon die Lösung.
CHOSROU: Welche?
HOFMINISTER: Für Far-Hat bedeutet Schirin alles. Wenn Schirin etwas zustößt, kann Far-Hat das nicht ertragen. Wenn Schirin stirbt, stirbt auch er, weil er ohne Schirin nicht leben kann.
CHOSROU: Was sagst du: Soll ich jetzt Schirin töten? Wie kannst du mir so etwas sagen, du alter Esel? Du denkst, dass ich Schirin weniger liebe als dieser verrückte Junge?
HOFMINISTER: Ich weiß das alles, Schah, ich weiß, wie sehr du Schirin liebst und sogar noch mehr als Far-Hat. Schirin wird kein Haar gekrümmt werden. Wie schicken einfach jemanden zu Far-Hat, der ihm ausrichten wird, dass Schirin gestorben sei. Diese Nachricht über den Tod Schirins wäre für ihn so unerträglich, dass er vor Gram bald selbst sterben würde.
CHOSROU: Er wird sich aber nicht vergewissern wollen?
HOFMINISTER: Das wird er nicht tun. Wenn er von Schirins Tod hört, wird ihn das derart bekümmern, dass er sehr bald selbst seinen Atem aushauchen wird.
CHOSROU: Bist du sicher, dass eine falsche Meldung über Shirins Tod ihm das Ende bereiten wird?
HOFMINISTER: Ja, ich bin sicher.
CHOSROU: Wie willst du das aber anstellen?
HOFMINISTER: Das solltest du mir überlassen, großer Schah.
CHOSROU: Gut! Dann mach das und mach es schnell! Ich kann keine Ruhe finden, bis die Sache endlich erledigt ist.
HOFMINISTER: Du kannst ruhig sein, Schah, ich werde meinen Fehler korrigieren; ich werde alles zu Deiner Zufriedenheit erledigen.
CHOSROU: Ich werde sehen, wie du das bewerkstelligst (ab).
HOFMINISTER: Der arme Far-Hat. Er wird für seine Liebe und seinen Heldenmut bestraft (ab).
3. Szene
Far-Hat arbeitetet mit einer Kreuzhacke im Berg. Er ist sehr glücklich und froh und arbeitet mit großer Begeisterung.
FAR-HAT:
Du fragst mich, wie mir´s geht, willst du mich plagen?
Du weißt es, und fragst – was soll ich sagen?
Wie geht´s dem Fremdling denn, der keinen Tröster hat,
Der seines Ziels beraubt, am Weg liegt matt,
Der Rose gleich in Liebe sein Gewand
zerriss, der Welt entfloh, eh er die Welt gekannt,
den Pfeilen Zielscheibe geworden wie der Staub,
der Tulpe gleich noch jung des Alters Raub,
die Welt aus Hoffnung in den Wind geschlagen,
um einen Wahn gestürzt in soviel Plagen?
Eine alte Frau, ganz schwarz gekleidet, nähert sich Far-Hat.
DIE ALTE: Far-Hat, sei gegrüßt, du hast hier wirklich eine schöne und großartige Arbeit geleistet, mein Junge.
Far-Hat hört für eine kurze Zeit auf zu arbeiten, dann treibt er den Weg durch den Berg weiter.
FAR-HAT: Sei gegrüßt, Großmutter!Was führt dich hierher auf den Berg?
DIE ALTE: Ich wollte deine Arbeit sehen. Wir warten alle, bis du fertig wirst und endlich wieder die Wasser zu uns fließen.
FAR-HAT: (zeigt ihr nach vorne). Bald, Großmutter, bald. Siehst du, dort ist Wasser: Noch eine Woche und ihr werdet wieder Wasser haben.
DIE ALTE: Wie schön ist das, Far-Hat! Endlich werden diese trockenen Steppen wieder von Wasser durchströmt werden, so dass wir dann auch unsere Gärten wieder bewässern können.
FAR-HAT: Das kommt alles bald, Großmutter. Sehr bald wird es soweit sein.
DIE ALTE: Das hat bis jetzt niemand geschafft; selbst zehn große Männer könnten das nicht schaffen, sagt man. Wie aber gelingt es dir, Far-Hat?
FAR-HAT: Eh, Großmutter, weist du, was die Liebe ist? Die Liebe gibt mir Kraft.
DIE ALTE: Die Liebe? Wen liebst du denn so sehr, Far-Hat?
FAR-HAT: Ich mache kein Geheimnis aus meiner Liebe: das wissen schon alle, wer meine Liebste ist. Sie heißt Schirin – die Schönste, die Zärtlichste auf der Welt.
DIE ALTE: Wie? Schirin? Die Königin aus dem Kaukasus?
FAR-HAT: Ja, Großmutter, sie ist meine Liebste.
DIE ALTE: Ach schade…oh weh!
FAR-HAT: Warum schade?
DIE ALTE: Ich habe etwas über sie gehört…
Farhad hört auf zu arbeiten und geht zur Alten.
FAR-HAT: Was hast du über sie gehört? Wann?
DIE ALTE: Gestern. Besser, ich spreche nicht darüber. Fahre fort mit deiner Arbeit, sonst bleiben wir alle ohne Wasser.
FAR-HAT: Nein, Alte, sag mir sofort, was du über Schirin gehört hast…
DIE ALTE: Nichts, nichts, ich habe über deine Schirin gar nichts gehört. Ich gehe jetzt wieder weg; du musst mit deiner Arbeit weiter machen. Ich möchte dich nicht stören (will weggehen).
FAR-HAT: (folgt ihr nach) Nein, halt, halt, Alte! Sag mir, was ist mit Schirin?
DIE ALTE: Ich habe dir gesagt, nichts habe ich über deine Schirin gehört. Du wirst das später selbst erfahren. Mach besser deine Arbeit weiter und denke nicht daran.
FAR-HAT: Nein, ich kann nicht mehr arbeiten, wenn ich jetzt nicht sofort erfahre, was mit Schirin passiert ist.
DIE ALTE: Ach, nichts Besonderes, habe ich gesagt. Sie war gestern auf der Jagd und auf dem Rückweg…
FAR-HAT: Ja was war mit ihr los auf dem Rückweg?
DIE ALTE: Nicht mit ihr, aber mit ihrem Pferd…
FAR-HAT: Ja, was war los mit ihrem Pferd?
DIE ALTE: Ja nichts Besonderes: Es rutschte aus auf einem felsigen Weg. Und Schirin…
FAR-HAT: Was ist mit Schirin? Sag endlich, Alte, ich flehe dich an!
DIE ALTE: Nichts mit Schirin: Sie rutschte ebenfalls aus. Ihre Begleiter wollten ihr helfen, aber…
FAR-HAT: Ja was denn?
DIE ALTE: Sie schafften es nicht mehr, ihr zu helfen.
FAR-HAT: Was ist mit Schirin?
DIE ALTE: Ich weiß nicht, was mit Schirin ist.
FAR-HAT: Sie lebt noch? Sag mir die Wahrheit, bitte!
DIE ALTE: Ich denke, nicht…
FAR-HAT: Was? Wirklich?!
DIE ALTE: Ja, Schirin lebt nicht mehr (geht schnell weg).
FAR-HAT: Alte, halt! Sag mir, bitte…
Als er die Alte aus den Augen verloren hat, wirft Far-Hat das Bergeisen zur Seite und setzt sich kraftlos, sehr traurig und unglücklich auf den Boden. Die Alte versteckt sich auf der Seite und beobachtet Far-Hat.
FAR-HAT: Schirin! Schirin! Wie und wofür kann ich jetzt weiter leben, wenn du nicht mehr lebst? Schirin, ich bin jetzt auch tot! Ich kann nicht ohne dich leben! Ohne dich bedeutet die Welt mir nichts. Dich, deine schöne Augen, dein wunderbares Gesicht nicht mehr sehen, deine wundervolle Stimme nicht mehr hören!.. Was ist diese Welt noch wert, wenn es das alles nicht mehr gibt?! Schirin, Schirin, Schirin…(stirbt).
Die Alte kommt zurück, schaut den verstorbenen Far-Hat an und tanzt vor Freude.
DIE ALTE: He-he! Gestorben! Far-Hat ist gestorben! He-he-he!
Sie holt ein Beutelchen mit den Goldstücken aus der Tasche, zählt sie und tanzt wieder vor der Freude.
DIE ALTE: Aha! Sie sind meine, sie sind meine! Ich habe es geschafft, geschafft. (wird nachdenklich) Der Alte hat versprochen, mir noch ein Beutelchen zu geben, wenn ich ihm die Nachricht über den Tod Far-Hats überbringe. Ich muss mich beeilen. Sonst sagt ihm das noch ein anderer. He-he-he! Ich muss mich sputen.
Die Alte hält plötzlich inne und schaut wieder den gestorbenen Far-Hat an.
DIE ALTE: Eh, Far-Hat, Far-Hat! So wenig verstehst du von dieser Welt.
Die Welt ist wie ein Fettschwanzschaf;
Traue ihr nicht, sonst verlierst du scharf.
Wenn dein Schicksal dir nicht gnädig ist,
Warum so leicht du in seine Falle tappst?
Die Alte lacht wieder, schüttelt das Goldbeutelchen, tanzt und geht weg.
FÜNFTER AKT
1. Szene
Medain. Chosrou und Schirin im Palast der Sassaniden.
CHOSROU: Ich bin so glücklich, Schirin, dass du jetzt meine Frau bist. Als ich hörte , dass du nach dem Tod deiner Tante den albanischen Thron bestiegen hast, war ich sehr stolz darauf. Als ich aber gehört hatte, dass du nach dem Iran umgesiedelt bist und hier ein Schloss baust, dass jetzt im ganzen Iran als Schloss der Schirin bekannt ist, machte ich mir Sorgen: Wem hatte sie ihr Königreich dann überlassen?
SCHIRIN: Chosrou, ich war verrückt nach der Liebe. Deswegen konnte ich nicht mehr in meinem Land bleiben. Ich setzte einen der Fürsten auf den Thron und nahm die anderen mit und siedelte in den Iran um: Ich wollte einfach in deiner Nähe sein.
CHOSROU: Wirklich? Alles nur aus Liebe zu mir?
SCHIRIN: Ja, Chosrou. Ich fand es aber sehr unschön, dass du Far-Hat aus Eifersucht sterben ließt. Er war ein sehr guter Maler…
CHOSROU: Wer hat das gesagt?! Er starb von selbst… Ich habe damit nichts zu tun…
SCHIRIN: Das ist in aller Munde, Chosrou: Alle sagen, dass du den armen Maler beseitigt hast.
CHOSROU: Das ist doch Lüge! Ich habe mit dem Tod Far-Hats nicht zu tun; er stellte sich eine unerfüllbare Aufgabe, den Bisutun zu spalten und starb selbst in den Bergen. Möglicherweise war die Spaltung des Berges für ihn zu schwer und er konnte das nicht lange ertragen.
SCHIRIN: Es ist auf jeden Fall sehr schade, dass Far-Hat so jung sterben musste; er könnte noch so viel schaffen!.. Chosrou, wir müssen wieder über sehr wichtige Dinge reden: Ich könnte dich nur dann heiraten, wenn du dich geändert hast. Ich habe aber deinem Wort geglaubt, ich habe deine Leiden gesehen, deswegen habe ich das vorher getan. Du musst jetzt auch den Krieg gegen Byzanz beenden.
CHOSROU: Ich habe das alles nicht vergessen, Schirin. Ich werde das alles auch tun. Wir müssen aber vorsichtig sein. Denn es könnte jederzeit zum Aufstand kommen, wenn jemand meine Annäherung an Byzanz für einen Verrat beim Volk vorgibt.
SCHIRIN: Der Frieden soll aber bald wieder einkehren.
CHOSROU: Ich wollte nie wieder einen Krieg gegen Byzanz anfangen. Mein Freund und Schwiegervater Maurikios hat mich ein Mal gerettet. Phakos hat aber ihn dann getötet und die Macht an sich gerissen. Ich begann einen neuen Krieg gegen Byzanz nur deswegen, weil ich meinen Schwiegervater rächen und Byzanz vor dem Usurpator retten wollte. Deswegen dauert der Krieg gegen Byzanz bis heute an.
SCHIRIN: Chosrou, du bist selbst auch nicht immer aufrichtig. Du hast nach dem Tod Maurikios an erster Stelle Kaspiana zurückerobert und einige Gebiete von Byzanz besetzt, aber dich nicht um die Zukunft von Byzanz gekümmert.
CHOSROU: Ja, Kaspiana…
SCHIRIN: Ich weiß nur eins, Chosrou: Du musst sofort den Krieg gegen Byzanz beenden.
CHOSROU: Kann das so schnell gehen? Man muss noch überlegen…
SCHIRIN: Ich habe dir lange geglaubt und auf dich so lange gewartet. Jetzt will ich aber nicht länger warten. Jetzt, gerade jetzt fahren wir zum Schlachtfeld, wo die iranischen und byzantinischen Truppen sich gegenüber stehen, und dort ihr Lager aufgeschlagen haben. Und dort schließt du Frieden mit Byzanz.
CHOSROU: Gut, ich habe nichts dagegen, fahren wir.
Beide ab.
2. Szene
Palast der Sassaniden in Medain. Das Zimmer des Sohns Chosrou. Schiruja und Dscham.
SCHIRUJA: (alleine) Ah Schirin! Sie gefällt mir sehr. Ich versuche sie wie eine Mutter für mich zu sehen, es gelingt mir aber nicht. Sie schaut mich so zärtlich an, dass ich alles vergessen und sie verführen möchte. Was ist dann mit dem Vater? Nein, ich kann ihn nicht enttäuschen!.. Ich habe gehört, dass er viele Jahre Schirin hinterher lief, um ihre Liebe zu erlangen. Er liebte sie immer, wenn er auch mit meiner armen Mutter Mariam verheiratet war. Ich wollte aber gerne an seiner Stelle sein: So eine schöne Frau haben und das ganze Reich selbst regieren. Ich werde sowieso eines Tages Kaiser, darauf muss ich aber warten. Regieren wollte ich doch schon jetzt.
Dscham kommt herein.
DSCHAM: Schiruja, der Kronprinz, es ist gut, dass ich dich erreicht habe.
SCHIRUJA: Was gibt es denn?
DSCHAM: Du weißt noch nicht, Schiruja, es geschehen schon sehr schlimme Sachen. Dein Vater ist ein Verräter, muss ich dir sagen!
SCHIRUJA: Wie kannst du über meinen Vater – über den Kaiser Irans so sprechen? Dscham, du würdest solche Ausdrücke bedauern!
DSCHAM: Das ist alles nicht mehr wichtig! Unser Reich ist stark bedroht!
SCHIRUJA: Sag mir, was ist denn los!
DCSHAM: Was ist los? Dein Vater hat gerade den Frieden mit Byzanz ausgerufen. Und seine Frau Schirin dient heimlich dem Hof in Konstantinopel; sie wird nun alles tun, dass der Iran von Byzanz abhängig wird, von unserem alten Feind.
SCHIRUJA: Das kann nicht sein! Woher weißt du das?
DSCHAM: Ich bekam diese Nachricht von mir treuen Leuten. Wir müssen, Schiruja, jetzt den Iran retten!
SCHIRUJA: Ich weiß nicht, was ich tun soll.
DCSHAM: Ich möchte, dass du jetzt der Herrscher des Irans wirst. Chosrou kehrt mit Schirin morgen zurück. Wir müssen das Volk auf der Straße versammeln und selbst auch dabei sein. Du erklärst die beiden zu Verrätern, wirst Chosrou und seine Frau vor dem Volk entlarven und die beiden festnehmen. Dann wirst du sofort zum neuen Kaiser Irans erklärt.
SCHIRUJA: Ich weiß nicht, ob ich das schaffe… Ich habe keine Erfahrung… und Chosrou ist mein Vater!..
DCSHAM: Chosrou ist dein Vater? Ich verstehe das. Weißt du nur, dass es wieder ein Aufstand in Aserbaigan gibt. Ich sollte sofort alle Priester über den Verrat Chosrous benachrichtigen. Und die Aseris-Priester machten den Verrat Chosrous dort schon bekannt. Wenn Chosrou auf dem Thron bleibt, kann der Aufstand sich im ganzen Iran verbreiten. Noch was: Du weiß noch nicht, dass Chosrou nicht dich, sondern seinen Sohn, der von Schirin geboren wurde, heimlich zum Thronfolger erklärt hat!
SCHIRUJA: Das kann nicht sein! Ich bin Thronfolger – der älteste Sohn!
DSCHAM: Aber Byzanz will den Sohn von Schirin als Kaiser des Irans sehen. Du kannst jetzt verstehen, warum.
SCHIRUJA: Das ist wirklich ein großer Verrat. Ich habe alles von Chosrou erwartet, aber nicht das. Ich bin jetzt bereit, Dscham, den Thron zu übernehmen und Chosrou mit Schirin gefangen zu nehmen.
DSCHAM. Du bist sehr klug, Schiruja, ich wusste das immer. Du wirst ein guter Kaiser werden, ich glaube fest daran. Jetzt gehen wir zu den anderen Priestern, dass auch sie dich segnen (off). Jetzt wirst du, Chosrou, endlich verstehen, was das bedeutet, wenn man das eigene Versprechen nicht erfüllt. (beide ab).
3. Szene
Chosrou und Schirin beim iranischen Volk in der Straße. Schiruja und Dscham nähern sich von der anderen Seite.
DIE MENSCHENMASSE: Byzanz hat sie zu uns geschickt! Wir wollen Schirin nicht mehr als Kaiserin haben!
CHOSROU: Das ist alles Lüge! Schirin ist meine Frau und eure Kaiserin!
DIE MENSCHENMASSE: Wie wollen euch nicht! Ihr seid beide Verräter!
SCHIRIN: Das ist nicht wahr!
DIE MENSCHENMASSE: Du bist eine Verräterin! Du dienst dem Kaiser von Byzanz!
SCHIRIN: Nein! Glaubt nicht daran…
CHOSROU: Hört sofort damit auf! Ihr dürft so nicht über die Kaiserin sprechen!
DSCHAM: Das sind Verräter! Sie wollen uns die Freiheit nehmen und uns von Byzanz, unserem Feind abhängig machen.
CHOSROU: Dscham! Bist du auch gegen mich und meine Frau?
DSCHAM: Du hast uns verraten, Chosrou! Du weißt das selbst.
Es kommt zu Unruhen in der Menschenmenge.
SCHIRUJA (zeigt auf Schirin) Mein Volk! Wegen Schirin dient mein Vater nun auch dem Hof in Byzanz. Sie sind beide Verräter! So ein Kaiser, so eine Kaiserin brauchen wir nicht!
CHOSROU (wütend zum Sohn) Was erlaubst du dir so was zu sagen?
Chosrou geht zu Schiruja und will ihn zusammenschlagen. Zwei Bewaffnete verhindern das, dann nehmen sie Chosrou und Schirin gefangen und führen sie ab.
SCHIRUJA: Ich bin jetzt euer Kaiser! Ich schwöre es, dass ich niemals den Iran und sein Volk verraten werde. Wenn ich das tue, werde ich dafür die schlimmste Bestrafung verdienen.
Alle ab.
4. Szene
Medain. Ein Zimmer im Palast der Sassaniden, in dem die Gefangenen Chosrou und Schirin im Bett liegen. Schiruja steigt durch das Fenster ein und tötet Chosrou mit dem Schwert. Schirin wacht auf und sieht den getöteten Chosrou und Schiruja.
SCHIRIN: Was hast du getan? Hast du deinen eigenen Vater getötet?
SCHIRUJA: Bleib ruhig, Schrin. Mein Vater war ein Verräter – er hat das verdient! Ich möchte dich aber retten. Ich bin jetzt der Kaiser des Irans. Ich möchte dich zu meiner Frau machen und dich unter meinen Schutz nehmen. Und wir werden mit dir gemeinsam dieses große Reich der Sassaniden regieren. Ich liebe dich, Schirin! Wir werden zusammen glücklich sein! Was sagst du, bist du einverstanden?
SCHIRIN: (nachdenklich und traurig) Ja, ich bin einverstanden. Ich habe aber nur eine Bedingung: Du musst mir die Möglichkeit geben, Chosrou würdig zu begraben und danach mich alleine von ihm zu verabschieden. Wenn du das alles erfüllst, werde ich deine Frau werden.
SCHIRUJA: Ich bin bereit, o schöne Schirin, dir diesen Wunsch zu gewähren! Nimm so viel Gold, wie du willst und bereite Chosrou ein kaiserliches Begräbnis: Ich gebe jetzt gleich dem Reichssäckel Bescheid. Und nach der Beerdigung heiraten wir (ab).
Schirin umarmt den Kopf des toten Chosrous und weint.
SCHIRIN: Ich Unglückliche! Chosrou, Chosrou! Ich muss Dir jetzt aber eine würdige Beerdigung bereiten (ab)!
5. Szene
Schirin alleine beim Begräbnis Chosrous. Sie kniet vor dem Sarg Chosrous.
SCHIRIN: Chosrou, Chosrou! Meine Liebe! Wo bist du jetzt? Ich liebte dich immer, ich liebe dich auch nun! Ohne dich kann ich nicht leben… Es gibt nichts mehr auf dieser Welt, das mich am Leben halten könnte. Wozu ist alles, wenn es dich nicht mehr gibt? Ich möchte nun auch sterben, um wieder mit dir vereint zu sein. Hier auf der Erde werden die Menschen uns nicht vergessen. Sie werden Legenden über unsere Liebe erzählen und Lieder unserer Liebe singen. Wir werden uns im Himmel wieder treffen und dort weiter leben, solange sich die Menschen an uns und unsere Liebe erinnern.
Schirin zieht einen Dolch, stößt sich ihn in ihr Herz und fällt auf den Sarg Chosrous.
ENDE
© Vougar ASLANOV
1 Aus dem Goethes West-östlichen Diwan.
2 Gendsche ist eine der ältesten Städte Aserbaidschans.
3 Aus dem Goethes West-östlichen Diwan.
4 Aus dem Schillers Theaterstück Wilhelm Tell.
5 Nizami Gendschewi (1141-1209) – der Dichter Aserbaidschans aus der Stadt Gendsche.
6 Kaukasus Albania – historischer Staat, existierte als frühchristliches Königreich vom 4. bis 11. Jh.
7 Die Gedichte von Nisami, in deutscher Übersetzung von Johannes Christof Bürgel.
8 Kura – Ein Fluss, der durch Georgien und Aserbaidschan ins Kaspische Meer einfließt
9 Masdak war der Priester von der Zarathustra – Lehre (6. Jh). Begründer der Freiheits-Bewegung im Iran, die als Masdakismus bezeichnet wird. Masdakiden übernahmen die Macht im Iran und proklamierten die Freiheit, Gleichberechtigung und freie Liebe und führten Reformen im Land durch. Nach einigen Jahren wurde Masdak gestürzt und zusammen mit vielen Anhängern hingerichtet.